Veröffentlicht: 2. September 2025|Aktualisiert: 2. September 2025|Medizinisch geprüft von Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin
Von Dr. med. Jens Westphal

Von Dr. med. Jens Westphal

Praktischer Arzt (FMH), Schweiz

Medizinischer Hinweis: Dieser Artikel ersetzt nicht die individuelle medizinische Beratung. Bei starken Schmerzen, Schwellung, gleichzeitiger Rötung, Fieber oder ausgeprägter Funktionsstörung suchen Sie umgehend eine Ärztin oder einen Arzt auf. Die hier beschriebenen Informationen dienen der Aufklärung und allgemeinen Orientierung.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Schmerzen an oder unterhalb der Kniescheibe, oft als Patellasehnenbeschwerden (Patellasehnentendinopathie, «Jumper’s Knee») bezeichnet, sind bei Sportlern und aktiven Menschen häufig. Typische Auslöser sind wiederholte Belastung, Fehlbelastung durch muskuläre Dysbalancen oder plötzliches Belastungsplus. In vielen Fällen sind konservative Massnahmen mit gezielt dosierten Übungen wirksam; minimalinvasive Verfahren können bei therapieresistenten Fällen ergänzen. Konservative Trainingsprogramme (exzentrisch, Heavy Slow Resistance) zeigen konsistente Verbesserungen von Schmerz und Funktion in Studien und Meta-Analysen1.

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Was ist eine Patellasehnentendinopathie?

Die Patellasehne verbindet die Kniescheibe (Patella) mit dem Schienbein (Tuberositas tibiae). Chronische Überlastung führt zu degenerativen Veränderungen in der Sehne, Schmerzen bei Belastung und Druckschmerz direkt unterhalb der Kniescheibe. Anders als eine akute Sehnenruptur entwickelt sich die Tendinopathie oft schleichend über Wochen bis Monate.

Ursachen und Risikofaktoren

Häufige Ursachen sind:

  • Wiederholte Stossbelastungen (z. B. Sprung- oder Schnellkraftsportarten)
  • Muskuläre Schwäche oder Ungleichgewicht, insbesondere des Quadrizeps und der Hüftabduktoren
  • Plötzliche Intensitätssteigerungen im Training
  • Fehlerhafte Biomechanik (fehlende Dämpfung, Fuss- oder Kniefehlstellung)
  • Alterungsbedingte Sehnenveränderungen und metabolische Faktoren

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Symptome und Diagnose

Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen beim Treppensteigen, Springen, schnellen Richtungswechseln oder nach längerem Sitzen beim erstmaligen Aufstehen (Theaterphänomen). Klinisch finden sich lokalisierter Druckschmerz an der Patellasehne und belastungsabhängige Schmerzprovokation bei Widerstandstests des Quadrizeps.

Die Diagnose stützt sich primär auf Anamnese und Untersuchung. Bildgebung (Sonografie, MRT) wird eingesetzt, wenn die Diagnose unklar ist oder vor invasiveren Therapien eine detaillierte Beurteilung notwendig ist.

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Konservative Behandlung – erste Massnahmen

Ziel der Therapie ist Schmerzlinderung, Reduktion der Belastung auf die Sehne und Wiederherstellung einer stabilen, symmetrischen Bewegungssteuerung. Akute Massnahmen umfassen relative Ruhe (keine vollständige Immobilisierung), Belastungsmodifikation, Eis und ggf. analgetische oder entzündungshemmende lokale Präparate nach ärztlicher Absprache.

Physiotherapie mit individuell angepassten Übungsprogrammen ist zentral. Evidence-basierte Programme beinhalten exzentrische oder heavy slow resistance (HSR) Übungen, die in randomisierten Studien und Übersichtsarbeiten zu anhaltenden Verbesserungen führten1. Isometrische Übungen können kurzfristig Schmerz reduzieren, sind aber meist nicht ausreichend als alleine Therapie1.

ℹ️Safety Tip:

Beginnen Sie Übungen langsam und bauen Sie die Belastung schrittweise auf. Bei zunehmenden Schmerzen anhaltend >48 Stunden Therapie anpassen und fachärztliche Abklärung erwägen.

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Übungen: Aufbau, Dosierung und Progression

Ein strukturiertes Übungsprogramm umfasst Kraftaufbau des Quadrizeps, der hinteren Oberschenkelmuskulatur sowie Hüft- und Rumpfstabilität. Ziel ist Lastverträglichkeit der Sehne und Normalisierung der Bewegungsmuster.

Konkrete Übungsprinzipien:

  • Start mit isometrischen Kontraktionen bei hoher Schmerzempfindlichkeit (z. B. 5×45–60 Sekunden, 1–2×/Tag)
  • Dann exzentrische Trainingsphase (z. B. 3 Sätze × 15 Wiederholungen, langsam, 1–2×/Tag) über 12 Wochen
  • Alternativ oder ergänzend HSR-Programme (3×/Woche, progressive Last, langsame konzentrische und exzentrische Phasen)
  • Integration von neuromuskulärem Training und plyometrischen Einheiten, wenn schmerzfrei

12‑Wochen Übungsplan

  1. Woche 1–2: Isometrisch – Wall-sit halb gebeugt, 5×45–60 s, 1×/Tag
  2. Woche 3–6: Exzentrisch – Einbeinige exzentrische Kniebeugen, 3×15, 1–2×/Tag
  3. Woche 7–10: HSR – Kniebeugen mit kontrollierter Geschwindigkeit, 3×8–12, 3×/Woche
  4. Woche 11–12: Funktionell – Einbeiniges Springen/Absprungtraining, progressiv
  5. Kontrolle: Schmerzlevel <4/10 während/kurz nach Übung und <2/10 am nächsten Tag (optional)
  6. Langfristig: 2×/Woche Erhaltstraining (optional)

Wichtig: Progression nur, wenn Schmerzen kontrollierbar sind. Abbruchkriterien für eine Übungssitzung: zunehmender, anhaltender Schmerz >5/10, Schwellung oder Verschlechterung der Funktion.

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Minimalinvasive und interventionelle Optionen

Bei unzureichendem Effekt konservativer Therapie können minimalinvasive Methoden wie trockene Nadeln (dry needling), hochvolumige Bildgebungsgesteuerte Injektionen oder PRP (platelet-rich plasma) in Betracht gezogen werden. Eine systematische Übersichtsarbeit beschreibt positive Effekte dieser Verfahren auf Schmerz und Funktion, weist aber auf Heterogenität der Studien hin2.

Operative Eingriffe werden selten erforderlich und reserviert für therapieresistente, schwer symptomatische Patienten oder strukturelle Sehnenrupturen. Komplikationen und Residualschmerzen nach ligamentären oder patellaren Eingriffen sind in der Literatur beschrieben und sollten in die Entscheidung einbezogen werden5.

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Ergänzende Massnahmen: Nahrungsergänzung und Hilfsmittel

Einige Studien untersuchten Collagenpräparate zur Reduktion von belastungsabhängigen Knieschmerzen; randomisierte Studien zeigen mögliche moderate Vorteile bei aktivitätsabhängigem Schmerz3 und frühere Arbeiten zu Hydrolysaten berichteten ebenfalls Schmerzreduktionen in Athletengruppen4. Diese Ergebnisse sind interessant, gelten aber als Ergänzung zu Training und physiotherapeutischen Massnahmen, nicht als Ersatz.

Orthesen, Patella-Bänder (Strap) und Tape können kurzfristig die Symptome reduzieren und die Belastungsfähigkeit verbessern, indem sie lokale Druckverhältnisse verändern und propriozeptive Rückmeldung geben.

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Prävention und Alltagstipps

Zur Prävention gehört eine progressive Trainingsplanung, ausreichende Regeneration, gezieltes Kraft- und Beweglichkeitstraining sowie Schuhwerk und Lauftechnik-Checks bei wiederkehrenden Problemen. Frühe Anpassung der Belastung vermindert das Risiko einer Chronifizierung.

Sicherheit & Kontraindikationen

Bei folgenden Warnzeichen ist umgehend ärztliche Abklärung nötig:

Important Warning

Suchen Sie umgehend medizinische Hilfe bei akuten oder alarmierenden Symptomen.

  • Plötzliches, sehr starkes Schmerzen oder Unfähigkeit, das Bein zu belasten.
  • Deutliche Schwellung, Rötung, Überwärmung am Knie.
  • Fieber oder systemische Symptome.
  • Klinischer Verdacht auf Sehnenruptur (sichtbare Delle, fehlende Streckfähigkeit)
  • Verschlechterung trotz konsequenter konservativer Therapie über 3–6 Monate

Bei Patienten mit Vorerkrankungen (z. B. Gerinnungsstörungen, Infektionen) müssen interventionelle Therapien individuell beurteilt werden. Ebenso sollten medikamentöse Analgesien (NSAR) nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nicht langfristig ohne ärztliche Kontrolle eingenommen werden.

Wann ist eine Operation nötig?

Operationen sind selten und nur angezeigt bei:

  • Kompletter Sehnenruptur mit funktioneller Instabilität
  • Andauernder, therapieresistenter Schmerz mit nachgewiesener struktureller Läsion und Beeinträchtigung trotz adäquater konservativer Therapie
  • Begleitverletzungen, die operativ behandelt werden müssen

Die Indikationsstellung sollte interdisziplinär erfolgen und die möglichen Komplikationen sowie realistischer Outcome besprochen werden5.Weiterlesen: Knieschmerzen Ursachen

FAQs

Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin

Lizenzierte Ärztin

Almedina Berisha ist als Ärztin für Allgemeine Innere Medizin Teil des medizinischen Expertenteams von Canna Viva, der führenden Schweizer Plattform für medizinisches Cannabis. In ihrer Rolle erstellt sie medizinisch geprüfte Inhalte für die Website und begleitet Patientinnen und Patienten digital bei der Therapie mit Medizinalcannabis.

Medizinisch überprüft

Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin

Lizenzierte Ärztin

Geprüft: September 2, 2025

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