
Überblick
Schmerzen an oder unterhalb der Kniescheibe, oft als Patellasehnenbeschwerden (Patellasehnentendinopathie, «Jumper’s Knee») bezeichnet, sind bei Sportlern und aktiven Menschen häufig. Typische Auslöser sind wiederholte Belastung, Fehlbelastung durch muskuläre Dysbalancen oder plötzliches Belastungsplus. In vielen Fällen sind konservative Massnahmen mit gezielt dosierten Übungen wirksam; minimalinvasive Verfahren können bei therapieresistenten Fällen ergänzen. Konservative Trainingsprogramme (exzentrisch, Heavy Slow Resistance) zeigen konsistente Verbesserungen von Schmerz und Funktion in Studien und Meta-Analysen1.
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Was ist eine Patellasehnentendinopathie?
Die Patellasehne verbindet die Kniescheibe (Patella) mit dem Schienbein (Tuberositas tibiae). Chronische Überlastung führt zu degenerativen Veränderungen in der Sehne, Schmerzen bei Belastung und Druckschmerz direkt unterhalb der Kniescheibe. Anders als eine akute Sehnenruptur entwickelt sich die Tendinopathie oft schleichend über Wochen bis Monate.
Ursachen und Risikofaktoren
Häufige Ursachen sind:
- Wiederholte Stossbelastungen (z. B. Sprung- oder Schnellkraftsportarten)
- Muskuläre Schwäche oder Ungleichgewicht, insbesondere des Quadrizeps und der Hüftabduktoren
- Plötzliche Intensitätssteigerungen im Training
- Fehlerhafte Biomechanik (fehlende Dämpfung, Fuss- oder Kniefehlstellung)
- Alterungsbedingte Sehnenveränderungen und metabolische Faktoren
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Symptome und Diagnose
Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen beim Treppensteigen, Springen, schnellen Richtungswechseln oder nach längerem Sitzen beim erstmaligen Aufstehen (Theaterphänomen). Klinisch finden sich lokalisierter Druckschmerz an der Patellasehne und belastungsabhängige Schmerzprovokation bei Widerstandstests des Quadrizeps.
Die Diagnose stützt sich primär auf Anamnese und Untersuchung. Bildgebung (Sonografie, MRT) wird eingesetzt, wenn die Diagnose unklar ist oder vor invasiveren Therapien eine detaillierte Beurteilung notwendig ist.
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Konservative Behandlung – erste Massnahmen
Ziel der Therapie ist Schmerzlinderung, Reduktion der Belastung auf die Sehne und Wiederherstellung einer stabilen, symmetrischen Bewegungssteuerung. Akute Massnahmen umfassen relative Ruhe (keine vollständige Immobilisierung), Belastungsmodifikation, Eis und ggf. analgetische oder entzündungshemmende lokale Präparate nach ärztlicher Absprache.
Physiotherapie mit individuell angepassten Übungsprogrammen ist zentral. Evidence-basierte Programme beinhalten exzentrische oder heavy slow resistance (HSR) Übungen, die in randomisierten Studien und Übersichtsarbeiten zu anhaltenden Verbesserungen führten1. Isometrische Übungen können kurzfristig Schmerz reduzieren, sind aber meist nicht ausreichend als alleine Therapie1.
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Übungen: Aufbau, Dosierung und Progression
Ein strukturiertes Übungsprogramm umfasst Kraftaufbau des Quadrizeps, der hinteren Oberschenkelmuskulatur sowie Hüft- und Rumpfstabilität. Ziel ist Lastverträglichkeit der Sehne und Normalisierung der Bewegungsmuster.
Konkrete Übungsprinzipien:
- Start mit isometrischen Kontraktionen bei hoher Schmerzempfindlichkeit (z. B. 5×45–60 Sekunden, 1–2×/Tag)
- Dann exzentrische Trainingsphase (z. B. 3 Sätze × 15 Wiederholungen, langsam, 1–2×/Tag) über 12 Wochen
- Alternativ oder ergänzend HSR-Programme (3×/Woche, progressive Last, langsame konzentrische und exzentrische Phasen)
- Integration von neuromuskulärem Training und plyometrischen Einheiten, wenn schmerzfrei
12‑Wochen Übungsplan
- Woche 1–2: Isometrisch – Wall-sit halb gebeugt, 5×45–60 s, 1×/Tag
- Woche 3–6: Exzentrisch – Einbeinige exzentrische Kniebeugen, 3×15, 1–2×/Tag
- Woche 7–10: HSR – Kniebeugen mit kontrollierter Geschwindigkeit, 3×8–12, 3×/Woche
- Woche 11–12: Funktionell – Einbeiniges Springen/Absprungtraining, progressiv
- Kontrolle: Schmerzlevel <4/10 während/kurz nach Übung und <2/10 am nächsten Tag (optional)
- Langfristig: 2×/Woche Erhaltstraining (optional)
Wichtig: Progression nur, wenn Schmerzen kontrollierbar sind. Abbruchkriterien für eine Übungssitzung: zunehmender, anhaltender Schmerz >5/10, Schwellung oder Verschlechterung der Funktion.
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Minimalinvasive und interventionelle Optionen
Bei unzureichendem Effekt konservativer Therapie können minimalinvasive Methoden wie trockene Nadeln (dry needling), hochvolumige Bildgebungsgesteuerte Injektionen oder PRP (platelet-rich plasma) in Betracht gezogen werden. Eine systematische Übersichtsarbeit beschreibt positive Effekte dieser Verfahren auf Schmerz und Funktion, weist aber auf Heterogenität der Studien hin2.
Operative Eingriffe werden selten erforderlich und reserviert für therapieresistente, schwer symptomatische Patienten oder strukturelle Sehnenrupturen. Komplikationen und Residualschmerzen nach ligamentären oder patellaren Eingriffen sind in der Literatur beschrieben und sollten in die Entscheidung einbezogen werden5.
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Ergänzende Massnahmen: Nahrungsergänzung und Hilfsmittel
Einige Studien untersuchten Collagenpräparate zur Reduktion von belastungsabhängigen Knieschmerzen; randomisierte Studien zeigen mögliche moderate Vorteile bei aktivitätsabhängigem Schmerz3 und frühere Arbeiten zu Hydrolysaten berichteten ebenfalls Schmerzreduktionen in Athletengruppen4. Diese Ergebnisse sind interessant, gelten aber als Ergänzung zu Training und physiotherapeutischen Massnahmen, nicht als Ersatz.
Orthesen, Patella-Bänder (Strap) und Tape können kurzfristig die Symptome reduzieren und die Belastungsfähigkeit verbessern, indem sie lokale Druckverhältnisse verändern und propriozeptive Rückmeldung geben.
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Prävention und Alltagstipps
Zur Prävention gehört eine progressive Trainingsplanung, ausreichende Regeneration, gezieltes Kraft- und Beweglichkeitstraining sowie Schuhwerk und Lauftechnik-Checks bei wiederkehrenden Problemen. Frühe Anpassung der Belastung vermindert das Risiko einer Chronifizierung.
Sicherheit & Kontraindikationen
Bei folgenden Warnzeichen ist umgehend ärztliche Abklärung nötig:
Important Warning
Suchen Sie umgehend medizinische Hilfe bei akuten oder alarmierenden Symptomen.
- Plötzliches, sehr starkes Schmerzen oder Unfähigkeit, das Bein zu belasten.
- Deutliche Schwellung, Rötung, Überwärmung am Knie.
- Fieber oder systemische Symptome.
- Klinischer Verdacht auf Sehnenruptur (sichtbare Delle, fehlende Streckfähigkeit)
- Verschlechterung trotz konsequenter konservativer Therapie über 3–6 Monate
Bei Patienten mit Vorerkrankungen (z. B. Gerinnungsstörungen, Infektionen) müssen interventionelle Therapien individuell beurteilt werden. Ebenso sollten medikamentöse Analgesien (NSAR) nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nicht langfristig ohne ärztliche Kontrolle eingenommen werden.
Wann ist eine Operation nötig?
Operationen sind selten und nur angezeigt bei:
- Kompletter Sehnenruptur mit funktioneller Instabilität
- Andauernder, therapieresistenter Schmerz mit nachgewiesener struktureller Läsion und Beeinträchtigung trotz adäquater konservativer Therapie
- Begleitverletzungen, die operativ behandelt werden müssen
Die Indikationsstellung sollte interdisziplinär erfolgen und die möglichen Komplikationen sowie realistischer Outcome besprochen werden5.Weiterlesen: Knieschmerzen Ursachen
