
Überblick
Tilidin ist ein opioides Analgetikum zur Behandlung mittelstarker bis starker Schmerzen. In der Schweiz war Tilidin (u. a. als Tropfen) seit 1975 zugelassen, der Vertrieb wurde 2022 eingestellt. Heute kommen in der Praxis Alternativen zum Einsatz (z. B. Tramadol, Oxycodon, Morphin; transdermal meist Fentanyl oder Buprenorphin). Opioide unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz (BetmG) und sind verschreibungspflichtig1.
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ℹ️Sichere Anwendung – das Wichtigste zuerst:
Was ist Tilidin und wie wirkt es?
Tilidin ist eine Prodrug: Es wird in der Leber zu Nortilidin (wirksam) metabolisiert und dämpft Schmerzsignale über μ-Opioidrezeptoren in Gehirn und Rückenmark. Wirkbeginn i. d. R. 10–30 min, Wirklänge ca. 4–6 h (präparateabhängig). In vielen Ländern wird Tilidin aus Missbrauchsprävention mit Naloxon kombiniert; Naloxon wirkt bei oraler Einnahme kaum systemisch, kann aber bei Fehlanwendung (z. B. i. v.) die Opioidwirkung aufheben2.
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Verfügbarkeit & rechtlicher Rahmen in der Schweiz
- Vertrieb eingestellt (2022): Tilidin-Arzneimittel sind in der Schweiz nicht mehr im Handel6.
- BetmG/Prävention: Opioide sind nur auf Rezept erhältlich; Swissmedic betont die ernsthaften Risiken (u. a. Atemdepression, Abhängigkeit) und verlangt seit 2024 eine Boxed Warning in Opioid-Fachinfos2.
- Praxis: Bei Bedarf werden zugelassene Alternativen verordnet (z. B. Tramadol, Oxycodon, Morphin; transdermal Fentanyl/Buprenorphin)2.
Indikationen (allgemein)
Tilidin (wo verfügbar) wird/wurde bei mittelstarken bis starken Schmerzen genutzt: z. B. tumorassoziierte Schmerzen, starke chronische Schmerzen, postoperativ – immer nach Nutzen-/Risikoabwägung und Monitoring. In der Schweiz werden dafür andere Opioide eingesetzt (siehe Alternativen)3.
Tilidin Darreichung & Pharmakologie (Kontext)
- Schnell wirksam (IR): Tropfen/nicht-retardierte Formen → rascher Wirkungseintritt, kürzere Dauer (4–6 h)3.
- Retard: verlängerte Freisetzung führt zu gleichmässigere Analgesie, weniger Peaks3.
- Kombination Tilidin/Naloxon: entwickelt zur Reduktion von Missbrauch und teils GI-Nebenwirkungen.(Hinweis: Diese Formen sind CH-historisch; aktuell nicht im Handel.)4.
Tilidin Nebenwirkungen & Wechselwirkungen
Häufig: Übelkeit/Erbrechen, Verstopfung (Opioid-induzierte Obstipation), Schläfrigkeit, Schwindel, Benommenheit4.
Wichtig/selten, aber kritisch: Atemdepression, Verwirrtheit/Delir (v. a. älter, multimorbid), Kreislaufprobleme4.
Interaktionen (Auswahl):
- Serotonerge Medikation (SSRI/SNRI/TCA/MAO-H, Triptane): selten Serotoninsyndrom4.
- Benzodiazepine, Z-Drugs, Alkohol, GHB: additive Atemdämpfung, daher vermeiden4.
- CYP-Interaktionen: Hemmer/Induktoren können Spiegel bzw. Wirkung verändern4.
- Serotonerge Medikation (SSRI/SNRI/TCA/MAO-H, Triptane): selten Serotoninsyndrom4.
Red Flags: sofort handeln
Bei diesen Anzeichen umgehend medizinische Hilfe (144) holen:
- Sehr langsame/oberflächliche Atmung, Zyanose (bläuliche Lippen)
- Nicht weckbar, extreme Schläfrigkeit, Verwirrtheit
- Starke allergische Reaktion (Atemnot, Schwellungen, Nesselsucht)
- Starke, neue Brustschmerzen oder neurologische Ausfälle
- Unklare, rasch steigende Dosisbedarfe (Fehldosierung/Missbrauch)
Tilidin Missbrauch & Entzug: warum Vorsicht nötig ist
Tilidin kann psychisch und körperlich abhängig machen; abruptes Absetzen nach längerer Einnahme führt zu Entzugssymptomen (Unruhe, Schlafstörungen, Schwitzen). Die historische Missbrauchsproblematik (z. B. Valoron®) ist dokumentiert: ein Grund für strenge Regulierung und den Marktrückzug in der Schweiz5.
Tilidin Alternativen in der Schweiz (heute üblich)
- Nicht-Opioide: Paracetamol; NSAR (Ibuprofen, Diclofenac, Naproxen): je nach GI/CV/Nieren-Risiko5.
- WHO-Stufe II: Tramadol (Opioid-ähnlich, CH-zugelassen)5.
- Starke Opioide: Oxycodon, Morphin, Hydromorphon; transdermal Fentanyl/Buprenorphin5.
- Ko-Analgetika bei neuropathischen Schmerzen: Antidepressiva/Antikonvulsiva5.
- Nichtmedikamentös: Physio, Psychologie/CBT-I, Bewegung, Schlaf/Stress-Management. (Alle Opioide in der Schweiz: nur auf Rezept, strenge Aufklärung & Monitoring)5.
Sichere Schmerztherapie – in 5 Schritten
- Indikation & Ziele definieren (Funktions- statt nur Schmerzziele)
- Stufenschema befolgen: erst Nicht-Opioide/Ko-Analgetika prüfen
- Bei Opioidbedarf: niedrig starten, langsam titrieren, Laxans/Antiemetikum erwägen
- Regelmässige Reevaluation (Wirkung/Nebenwirkung, Reduktionsplan)
- Mischkonsum vermeiden, Fahreignung prüfen, bei Langzeitgabe Ausschleichen planen


