
Überblick
Dieser Artikel richtet sich an Jugendliche und Erwachsene mit leichter bis moderater Skoliose sowie an Angehörige und Fachpersonen, die praktische, evidenzbasierte Übungs‑ und Behandlungsoptionen suchen. Er erklärt Ursachen, typische Symptome und die Rolle von Physiotherapie, spezifischen Übungsprogrammen und ggf. operativen Massnahmen. Die Evidenzbasis zu übungstherapeutischen Programmen zeigt bei individuell angepassten Programmen positive Effekte auf Haltung und Funktion1, dennoch sind Abklärung und Verlaufskontrolle durch Fachpersonen wichtig. Dieser Text betont Sicherheit, Red Flags und klare Indikationen, wann eine fachärztliche Vorstellung notwendig ist.
Was ist Skoliose?
Skoliose ist eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule mit gleichzeitiger Rotation der Wirbelkörper. Fachleute definieren Skoliose meist ab einer Cobb‑Krümmung von 10°; Ursache und Verlauf sind variabel: von idiopathisch (häufig bei Jugendlichen) über neuromuskulär bis strukturell bei angeborenen Fehlbildungen. Die Diagnose erfolgt durch ärztliche Untersuchung, Haltungsanalyse und bildgebende Verfahren (Röntgen für Krümmungsmessung). Therapiemaßnahmen richten sich nach Alter, Krümmungsgrad, Progressionsrisiko und Symptomen.
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Evidenzbasierte Übungsprinzipien
Übungen bei Skoliose folgen mehreren Prinzipien: muskuläre Balancierung (Kräftigung der abgeschwächten Seiten), Mobilisation der verkürzten Strukturen, Atemlenkung zur Entrotation der Wirbelsäule und Haltungsschulung im Alltag. Ein häufig verwendeter Ansatz ist die Schroth‑Methode (patternspezifische Atem‑ und Korrekturübungen), die die Wirbelsäulenrotation adressiert und Haltungsbewusstsein fördert. Kurzzeitprogramme mit gezielten, patternspezifischen Übungen zeigten in Pilotstudien Verbesserungen von Trunkdeformität und Haltung1.
Schroth-Basisaktivierung
- Ausgangsposition: Aufrechte Sitz- oder Standposition mit bewusster Gewichtsverteilung auf die Fusssohlen.
- Atemlenkung: Tiefe laterale Atmung zur Dehnung der konkaven Seiten der Brustkorb-/Rumpfwand.
- Aktive Muskelaktivierung: Isometrische Kontraktion der dorsalen Muskulatur auf der convexen Seite zur Entrotation.
- Haltungsintegration: Korrekturhaltung 30–60 Sekunden halten und in Alltagshaltungen übertragen, 3–6 Wiederholungen.
Mechanistisch wirken patternspezifische Übungen über Muskelbalance, propriozeptive Schulung und Atemlenkung. Nicht jede Methode passt zu allen Formen der Skoliose: Bei fortgeschrittener struktureller Verkrümmung oder bei hoher Progressionsgefahr sind konservative Übungen oft ergänzend zur Korsettbehandlung oder operativen Optionen. Die Evidenz ist stärker für individualisierte, regelmässig durchgeführte Programme als für unspezifische Rückenübungen allein1.
ℹ️Tipp:
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Schritt-für-Schritt-Übungen
Die folgenden fünf Übungen sind praxisnah beschrieben. Führen Sie die Übungen in Schmerzfreiheit durch; abbrechen bei neu auftretenden Schwächen, Taubheitsgefühlen oder zunehmender Atemnot. Dosierungsempfehlung allgemein: 3 Sätze × 8–12 Wiederholungen bei Kräftigungsübungen, Mobilisation 30–60 Sekunden halten, Frequenz 3–5×/Woche; bei tagesübungen (Atem, Haltung) gern täglich.
1. Laterale Atemdehnung (Atemlenkung)
Ausgang: Aufrechter Sitz. Atmen Sie tief in die Seite des Rumpfes («interkostal-lateral») ein, wodurch die konkave Seite der Krümmung erweitert wird. Halten Sie die Dehnung 3–5 Sekunden, ausatmen passiv. 3 Serien × 6–8 Atemzüge, täglich. Abbrechen bei Atemnot oder Schwindel.
2. Einseitiges Rudern mit Theraband (Kräftigung)
Ausgang: Sitz oder Stand, Theraband in der Hand auf der convexen Seite. Rudern Sie mit Ellbogen nach hinten und ziehen Sie die Schulterblätter zusammen, aktivieren Sie den hinteren Trapez und Rhomboiden. 3×10 Wiederholungen, 3×/Woche. Progression: stärkere Bandspannung oder zusätzliches Gewicht.
3. Aufrichtung im Vierfüsslerstand (Mobilisation + Core)
Ausgang: Vierfüsslerstand. Beim Einatmen den Brustkorb heben und die Rotation sanft gegen die convex‑rotierte Seite korrigieren, beim Ausatmen neutralisieren. 3 Sätze × 8 Wiederholungen. Abbrechen bei akuter Schmerzverstärkung.
4. Seitstütz mit modifizierter Beinposition (laterale Stabilität)
Ausführung: Seitstütz mit leicht gebeugtem unterem Knie für Erleichterung; halten Sie die korrigierte Rumpfposition 20–40 Sekunden. 3 Wiederholungen je Seite, 3×/Woche. Progression: längere Haltezeiten oder Fuss auf einer Erhebung.
5. Haltungsbewusste Alltagsintegration
Übung: Mehrmals täglich 1–2 Minuten bewusste Korrektur der Haltung (Schultern, Rumpfrotation, Atmung) in Alltagstätigkeiten wie Stehen oder Gehen. Ziel: Übertragung der Übungspositionen in ADL (Activities of Daily Living).
ℹ️Tipp:
Weiterlesen: Rückenschmerzen Genf – Informationen zu kombinierten Therapien und was lokal vor Ort angeboten wird.
Sicherheit & Kontraindikationen
Bevor mit einem spezifischen Übungsprogramm begonnen wird, ist die Abklärung durch eine Fachperson (Kinderarzt/Orthopäde, Physiotherapeut mit Skolioseerfahrung) wichtig, besonders bei Jugendlichen im Wachstum oder bei rascher Verschlechterung. Kontraindikationen für ungeführte Intensiveinheiten sind akute neurologische Defizite, instabile Wirbelsäulenfrakturen oder unklarer Tumorverdacht.
Bei Korsettbehandlung ist die Koordination mit dem behandelnden Team notwendig: Übungen müssen mit Korsett kompatibel sein und das Korsetttraining ergänzen, nicht ersetzen. Für Patientinnen/Patienten mit neuromuskulären Ursachen können Übungen Teil eines interdisziplinären Plans sein, aber die Ziele sind hier häufig funktioneller (Atmung, Transfers) als rein krümmungsreduktion.
Wann zum Arzt
Sofortige Abklärung bei folgenden Symptomen
- Neu aufgetretene Lähmungen oder progrediente Schwäche
- Plötzliches Taubheitsgefühl, insbesondere im Sattelbereich
- Blasen- oder Darmfunktionsstörungen
- Fieber in Kombination mit Rückenschmerzen oder starker nächtlicher Schmerz
- Frischer Traumaereignis oder Verdacht auf Tumor/Infekt
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Häufige Fehler & Mythen
Mythos: «Skoliose lässt sich durch einfache Dehnübungen vollständig korrigieren.» Korrektur ist bei struktureller Krümmung begrenzt; Übungen können Haltung, Schmerzen und Funktion verbessern, aber nicht immer die Röntgenkrümmung vollständig normalisieren. Mythen über einheitliche Übungsprogramme: Skoliose ist oft asymmetrisch — Therapie muss pattern‑spezifisch sein und individuell angepasst werden.
Fehler in der Praxis sind unspezifische Überlastung, Vernachlässigung der Atemkomponente oder fehlende Integration in den Alltag. Korrektur: arbeiten Sie mit expertengeleiteten Programmen (z. B. zertifizierte Schroth‑Therapeuten) und dokumentieren Sie den Verlauf.
ℹ️Tipp:
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