Veröffentlicht: 2. November 2025|Aktualisiert: 2. November 2025|Medizinisch geprüft von Dr. med. Natalia Eckstein-Halla
Von Dr. med. Jens Westphal

Von Dr. med. Jens Westphal

Praktischer Arzt (FMH), Schweiz

Medizinischer Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine ärztliche Untersuchung oder Beratung. Er dient ausschliesslich der allgemeinen medizinischen Information und wurde nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Medizinisches Cannabis bei Multiple Sklerose gewinnt als ergänzende Therapieoption zunehmend an Bedeutung. Aktuelle Studien zeigen, dass Cannabinoide insbesondere bei MS-bedingten Spastiken, neuropathischen Schmerzen und Schlafstörungen therapeutische Wirkung entfalten können. In der Schweiz haben Patientinnen und Patienten unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu verschreibungspflichtigen Cannabispräparaten, wenn konventionelle Behandlungen unzureichend wirken. Dieser Artikel beleuchtet die wissenschaftliche Evidenz, praktische Anwendung und rechtlichen Rahmenbedingungen für Cannabis bei Multiple Sklerose in der Schweiz.

Multiple Sklerose: Krankheitsbild und Symptomatik

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die weltweit über 2,8 Millionen Menschen betrifft. In der Schweiz leben schätzungsweise 15’000 Menschen mit dieser Diagnose. Die Erkrankung ist durch eine fehlgeleitete Immunreaktion charakterisiert, bei der körpereigene Abwehrzellen die Myelinscheiden der Nervenfasern angreifen und zerstören. Diese schützende Isolierschicht um die Nervenfasern ermöglicht normalerweise eine schnelle und effiziente Signalübertragung im Nervensystem.

Wenn das Myelin geschädigt wird, entstehen sogenannte Läsionen oder Plaques, die zu Störungen der Nervenleitung führen. Die Symptome variieren stark zwischen den Betroffenen und können sich im Krankheitsverlauf verändern. Zu den häufigsten frühen Anzeichen gehören Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühle oder Kribbeln, Sehstörungen durch Entzündung des Sehnervs und Koordinationsprobleme. Mit fortschreitender Erkrankung können Spastiken, chronische Schmerzen, extreme Fatigue, Blasenfunktionsstörungen und kognitive Beeinträchtigungen auftreten.

Die Diagnosestellung erfolgt in der Schweiz nach den McDonald-Kriterien und umfasst eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchung, Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns und Rückenmarks sowie gegebenenfalls eine Lumbalpunktion zur Untersuchung des Nervenwassers. Die Behandlung zielt darauf ab, Schübe zu behandeln, die Krankheitsaktivität zu reduzieren und Symptome zu lindern. Während es keine Heilung gibt, können moderne Therapien den Verlauf erheblich beeinflussen und die Lebensqualität verbessern.

Für viele MS-Betroffene stellen insbesondere Spastiken und neuropathische Schmerzen eine erhebliche Belastung dar. Herkömmliche Therapien mit Muskelrelaxantien oder Antikonvulsiva zeigen nicht bei allen Patientinnen und Patienten ausreichende Wirkung oder verursachen unerwünschte Nebenwirkungen. Hier kann medizinisches Cannabis eine wertvolle ergänzende Behandlungsoption darstellen.

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Multiple Sklerose: Cannabis als Option

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Wissenschaftliche Evidenz für Cannabis bei Multiple Sklerose

Die Forschung zu medizinischem Cannabis bei MS hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen[1]. Eine wegweisende Übersichtsarbeit der Oregon Health & Science University analysierte systematisch die verfügbare Evidenz für Cannabinoide bei MS-Symptomen. Die Forscher identifizierten mehrere hochwertige randomisierte kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit von Cannabis bei spezifischen MS-Symptomen belegen.

Besonders gut dokumentiert ist die Wirkung bei Spastiken. Die CAMS-Studie (Cannabinoids in MS), eine der größten randomisierten Studien zu diesem Thema, untersuchte 630 MS-Patienten über 15 Wochen. Die Teilnehmer erhielten entweder Dronabinol (synthetisches THC), einen Cannabisextrakt oder Placebo. Obwohl die primären Endpunkte nur geringe Unterschiede zeigten, berichteten die Patienten in den Cannabisgruppen über signifikante subjektive Verbesserungen bei Spastiken, Schlafqualität und Schmerzen. Diese patientenberichteten Ergebnisse sind klinisch bedeutsam, da sie die tatsächliche Lebensqualität widerspiegeln.

Eine weitere wichtige Studie untersuchte Nabiximols (Sativex), ein oromukosales Spray mit THC und CBD im Verhältnis 1:1. In einer 12-wöchigen Phase-III-Studie mit 337 MS-Patienten zeigte sich bei Personen mit schwerer Spastik eine klinisch relevante Reduktion der Symptome um durchschnittlich 22 Prozent gegenüber Placebo. Besonders bemerkenswert war, dass die Wirkung bei Patienten, die in einer vierwöchigen Testphase gut auf die Behandlung ansprachen, noch ausgeprägter war.

Neben kontrollierten Studien liefern Beobachtungsstudien wertvolle Einblicke in die Praxisanwendung. Eine grosse Erhebung zeigte, dass 20 bis 60 Prozent der MS-Patienten Cannabis verwenden, wobei die meisten eine Verbesserung bei Spastiken, Schmerzen und Schlafstörungen berichten. Diese hohe Nutzungsrate unterstreicht den wahrgenommenen Nutzen aus Patientensicht, auch wenn nicht alle Anwender ein ärztlich verschriebenes Präparat verwenden.

Wirkmechanismen von Cannabis bei Multiple Sklerose

Das Verständnis der Wirkmechanismen von Cannabis bei MS basiert auf der Interaktion mit dem körpereigenen Endocannabinoidsystem (ECS)[2]. Dieses komplexe Signalsystem besteht aus Cannabinoid-Rezeptoren, endogenen Liganden (körpereigene Cannabinoide) und Enzymen für deren Synthese und Abbau. Die wichtigsten Rezeptoren sind CB1, die hauptsächlich im zentralen Nervensystem vorkommen, und CB2, die primär in Immunzellen und peripheren Geweben zu finden sind.

Bei MS-Patienten scheint das Endocannabinoidsystem dysreguliert zu sein. Studien zeigen veränderte Konzentrationen endogener Cannabinoide in Liquor und Blut von MS-Betroffenen. Gleichzeitig ist die Expression von Cannabinoid-Rezeptoren in entzündeten Hirnregionen verändert. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass das ECS eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung und -progression spielt.

THC (Tetrahydrocannabinol) wirkt als partieller Agonist an beiden Cannabinoid-Rezeptoren. Über CB1-Rezeptoren kann es die Freisetzung von Neurotransmittern modulieren und dadurch Spastiken reduzieren. Die Aktivierung von CB2-Rezeptoren auf Immunzellen kann entzündliche Prozesse dämpfen. CBD (Cannabidiol) zeigt eine komplexere Pharmakologie und wirkt über verschiedene Mechanismen, einschließlich der Hemmung des Abbaus körpereigener Cannabinoide und der Modulation anderer Neurotransmittersysteme.

Tierexperimentelle Studien mit dem MS-Modell der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) zeigen, dass Cannabinoide sowohl neuroprotektive als auch immunmodulatorische Effekte haben können. Sie können die Mikroglia-Aktivierung reduzieren, die Neuroinflammation dämpfen und möglicherweise sogar die Demyelinisierung verlangsamen. Diese vorklinischen Erkenntnisse unterstützen die Hypothese, dass Cannabis nicht nur symptomatisch, sondern möglicherweise auch krankheitsmodifizierend wirken könnte.

Spezifische Anwendungsbereiche bei MS-Symptomen

Spastiken und Muskelsteifheit

Spastiken betreffen über 85 Prozent aller MS-Patienten und stellen oft das belastendste Symptom dar. Diese unwillkürlichen Muskelkontraktionen können schmerzhaft sein und die Beweglichkeit erheblich einschränken. Herkömmliche Behandlungen mit Baclofen, Tizanidin oder Gabapentin zeigen nicht bei allen Patienten ausreichende Wirkung oder verursachen störende Nebenwirkungen wie Sedierung oder Muskelschwäche.

Cannabis-basierte Therapien haben sich als wirksame Alternative erwiesen. In klinischen Studien zeigte sich eine durchschnittliche Reduktion der Spastik-Scores um 20 bis 30 Prozent. Besonders wichtig ist, dass viele Patienten eine Verbesserung der funktionellen Aspekte berichten – sie können besser gehen, haben weniger nächtliche Krämpfe und eine verbesserte Schlafqualität. Die Wirkung tritt meist innerhalb von Stunden ein und hält mehrere Stunden an, was eine flexible Dosierung ermöglicht.

Die individuellen Unterschiede in der Wirksamkeit sind erheblich. Während einige Patienten eine dramatische Verbesserung erfahren, zeigen andere nur geringe Effekte. Dies unterstreicht die Bedeutung einer individuellen Therapieplanung und sorgfältigen Überwachung. Faktoren wie der Schweregrad der Spastik, die Krankheitsdauer und genetische Unterschiede im Cannabinoid-Metabolismus können die Wirksamkeit beeinflussen.

Neuropathische Schmerzen

Chronische Schmerzen betreffen etwa 60 Prozent der MS-Patienten und können verschiedene Formen annehmen. Neuropathische Schmerzen entstehen durch direkte Nervenschädigung und äussern sich oft als brennende, stechende oder elektrische Schmerzen. Diese sind besonders schwer zu behandeln, da herkömmliche Schmerzmittel oft wenig wirksam sind.

Studien zu Cannabis bei neuropathischen Schmerzen zeigen ermutigende Ergebnisse. In einer randomisierten Studie mit MS-Patienten führte die Behandlung mit Nabiximols zu einer durchschnittlichen Schmerzreduktion von 41 Prozent, verglichen mit 22 Prozent unter Placebo. Besonders bemerkenswert war die Verbesserung der schlafbezogenen Parameter, da Schmerzen oft zu Schlafstörungen führen.

Die analgetische Wirkung von Cannabis beruht auf mehreren Mechanismen. Die Aktivierung von Cannabinoid-Rezeptoren im Rückenmark und Gehirn kann die Schmerzweiterleitung hemmen. Zusätzlich modulieren Cannabinoide die Freisetzung von Neurotransmittern und können die zentrale Sensibilisierung reduzieren, die bei chronischen Schmerzen eine wichtige Rolle spielt. Diese multifaktoriellen Effekte erklären, warum Cannabis besonders bei neuropathischen Schmerzen wirksam sein kann.

Schlafstörungen und Fatigue

Schlafstörungen und Fatigue gehören zu den häufigsten und belastendsten MS-Symptomen. Fatigue betrifft bis zu 90 Prozent der Patienten und ist oft das Symptom, das die Lebensqualität am stärksten beeinträchtigt. Schlafstörungen können sowohl Ursache als auch Folge von Fatigue sein und entstehen oft durch nächtliche Spastiken, Schmerzen oder Blasenfunktionsstörungen.

Cannabis zeigt positive Effekte auf beide Symptomkomplexe. In Studien berichteten Patienten über eine verbesserte Schlafqualität, weniger nächtliche Unterbrechungen und ein erholsameres Erwachen. Die sedierenden Eigenschaften bestimmter Cannabis-Sorten können beim Einschlafen helfen, während die muskelrelaxierende Wirkung nächtliche Krämpfe reduziert.

Bei Fatigue sind die Effekte komplexer. Während niedrige Dosen aktivierend wirken können, führen höhere Dosen oft zu vermehrter Sedierung. Die Wahl der Cannabinoid-Zusammensetzung spielt eine wichtige Rolle – CBD-dominante Präparate können tagsüber verwendet werden, ohne starke psychoaktive Effekte zu verursachen, während THC-haltige Präparate eher abends eingesetzt werden.

Therapieplanung mit medizinischem Cannabis bei MS

  1. Umfassende Symptombewertung und Therapiegeschichte erheben
  2. Geeignete Cannabinoid-Zusammensetzung basierend auf Hauptsymptomen auswählen
  3. Mit niedriger Dosis beginnen und schrittweise unter Überwachung steigern
  4. Wirkung und Nebenwirkungen über mehrere Wochen dokumentieren
  5. Dosierung und Verabreichungsform entsprechend Ansprechen anpassen

Dosierung und Verabreichungsformen

Die optimale Dosierung von medizinischem Cannabis bei MS variiert erheblich zwischen einzelnen Patienten und hängt von verschiedenen Faktoren ab[3]. Dazu gehören der Schweregrad der Symptome, die Krankheitsdauer, frühere Cannabiserfahrungen, Körpergewicht und individuelle Stoffwechselunterschiede. Ein wichtiger Grundsatz ist das “Start low, go slow”-Prinzip – mit niedrigen Dosen beginnen und langsam steigern, bis die optimale Wirkung erreicht wird.

Für Nabiximols, das am besten untersuchte Präparat bei MS, beginnt man typischerweise mit ein bis zwei Sprühstössen pro Tag (entspricht 2,7 bis 5,4 mg THC und CBD). Die Dosis kann alle zwei bis drei Tage um einen Sprühstoss erhöht werden, bis die gewünschte Wirkung eintritt oder Nebenwirkungen auftreten. Die maximale empfohlene Tagesdosis liegt bei zwölf Sprühstössen, was 32,4 mg THC und CBD entspricht.

Bei oralen Präparaten wie Dronabinol-Kapseln beginnt man meist mit 2,5 bis 5 mg täglich, aufgeteilt in zwei Dosen. Die Wirkung tritt verzögert nach ein bis zwei Stunden ein und hält vier bis acht Stunden an. Dies erfordert Geduld und sorgfältige Planung der Einnahmezeiten. Viele Patienten nehmen eine niedrigere Dosis am Morgen und eine höhere am Abend, um tagsüber funktionsfähig zu bleiben.

Die Inhalation durch Vaporisation bietet den Vorteil einer schnellen Wirkung innerhalb von Minuten, was eine flexible Dosisanpassung ermöglicht. Allerdings ist die Dosierung schwieriger zu standardisieren und nicht alle Patienten sind mit dieser Verabreichungsform vertraut. In der klinischen Praxis wird oft eine Kombination verschiedener Darreichungsformen verwendet – beispielsweise eine Basisdosis über orale Präparate und zusätzliche Bedarfsdosen über Sprays.

ℹ️Sichere Anwendung von Cannabis bei MS:

Eine erfolgreiche Cannabistherapie bei MS erfordert ärztliche Begleitung und sorgfältige Überwachung. Beginnen Sie immer mit der niedrigstmöglichen Dosis und steigern Sie langsam. Führen Sie ein Symptomtagebuch, um Wirkungen und Nebenwirkungen zu dokumentieren. Vermeiden Sie das Führen von Fahrzeugen, bis Sie Ihre individuelle Reaktion kennen. Informieren Sie alle behandelnden Ärzte über die Cannabistherapie.

Nebenwirkungen und Sicherheitsaspekte

Wie alle Medikamente kann auch medizinisches Cannabis Nebenwirkungen verursachen[4]. Diese sind jedoch in der Regel mild bis moderat und dosisabhängig. Zu den häufigsten Nebenwirkungen gehören Schwindel, Mundtrockenheit, Müdigkeit und leichte kognitive Beeinträchtigungen. Bei einigen Patienten können auch Übelkeit, Veränderungen des Appetits oder Stimmungsschwankungen auftreten.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass sich viele Nebenwirkungen mit der Zeit abschwächen, da sich der Körper an die Behandlung gewöhnt. Studien zeigen, dass über 80 Prozent der Patienten die Therapie gut vertragen und nur wenige aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen. Die meisten unerwünschten Wirkungen lassen sich durch Dosisanpassung oder Änderung der Verabreichungsform kontrollieren.

Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit psychiatrischen Vorerkrankungen geboten. Cannabis kann bei prädisponierten Personen Angst oder Panikattaracken auslösen oder psychotische Symptome verstärken. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen erfordern sorgfältige Überwachung, da THC kurzfristig Herzfrequenz und Blutdruck beeinflussen kann. Bei MS-Patienten ist dies besonders relevant, da diese häufig bereits kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen.

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind ein wichtiger Sicherheitsaspekt. Cannabis kann die Wirkung von Sedativa verstärken und die Metabolisierung bestimmter Medikamente beeinflussen. MS-Patienten nehmen oft mehrere Medikamente ein, weshalb eine sorgfältige Überprüfung möglicher Interaktionen essentiell ist. Die meisten klinisch relevanten Wechselwirkungen betreffen die verstärkte Sedierung bei gleichzeitiger Anwendung mit Benzodiazepinen oder Opioiden.

Ein entscheidender Sicherheitsvorteil von Cannabis gegenüber vielen anderen Medikamenten ist das sehr geringe Risiko einer tödlichen Überdosierung. Selbst sehr hohe Dosen sind nicht letal, obwohl sie unangenehme Nebenwirkungen wie starke Sedierung oder Angst verursachen können. Dies macht Cannabis zu einer relativ sicheren Option für Langzeittherapien bei chronischen Erkrankungen wie MS.

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Rechtliche Rahmenbedingungen in der Schweiz

Die rechtliche Situation für medizinisches Cannabis in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Seit 2022 können Ärzte Cannabis-basierte Medikamente verschreiben, ohne eine Ausnahmebewilligung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) beantragen zu müssen. Diese Vereinfachung hat den Zugang für Patienten erheblich erleichtert und die Behandlungskosten reduziert.

Verschreibungsberechtigt sind alle approbierten Ärzte, wobei eine gewisse Expertise im Umgang mit Cannabis-basierten Therapien empfehlenswert ist. Die Verschreibung erfolgt auf einem speziellen Betäubungsmittelrezept und unterliegt den üblichen Sorgfaltspflichten. Ärzte müssen eine medizinische Indikation dokumentieren und sollten alternative Therapien erwogen oder versucht haben.

Für MS-Patienten stehen in der Schweiz verschiedene zugelassene Präparate zur Verfügung. Nabiximols (Sativex) ist für die Behandlung von Spastiken bei MS explizit zugelassen und wird von den Krankenkassen unter bestimmten Bedingungen übernommen. Andere Cannabis-basierte Medikamente können im Off-Label-Use verschrieben werden, wobei die Kostenübernahme individuell geprüft wird.

Patienten mit einer gültigen Verschreibung dürfen ihre Medikamente legal verwenden und besitzen. Dies schliesst auch das Führen von Fahrzeugen ein, solange keine Fahruntüchtigkeit vorliegt. Allerdings sollten Patienten vorsichtig sein, besonders in der Anfangsphase der Behandlung, bis sich die individuelle Wirkung stabilisiert hat. Der Weg zum Cannabis-Patienten erfordert eine ärztliche Begleitung und entsprechende Dokumentation.

Die Kostenerstattung durch die Krankenkassen ist ein komplexes Thema. Während Sativex bei entsprechender Indikation oft übernommen wird, müssen andere Präparate häufig privat finanziert werden. Die monatlichen Kosten können zwischen 200 und 800 Franken liegen, abhängig von Dosierung und Präparat. Viele Patienten profitieren von Beratung zu Therapiekosten und Finanzierungsmöglichkeiten.

Wichtige Kontraindikationen und Vorsichtsmassnahmen

Cannabis-basierte Therapien sind nicht für alle MS-Patienten geeignet

  • Schwere psychiatrische Erkrankungen in der Anamnese (Psychosen, schwere Depressionen)
  • Schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit instabiler Symptomatik
  • Schwangerschaft und Stillzeit
  • Alter unter 25 Jahren (Ausnahmen nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung)
  • Aktuelle Substanzabhängigkeit oder problematischer Cannabis-Konsum

Praktische Umsetzung der Therapie

Die erfolgreiche Implementierung einer Cannabis-Therapie bei MS erfordert eine strukturierte Herangehensweise und enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt[5]. Der erste Schritt besteht in einer umfassenden Evaluation der aktuellen Symptome, bisherigen Therapieversuche und individuellen Bedürfnisse. Dabei sollten auch Lebensumstände, Berufstätigkeit und persönliche Präferenzen berücksichtigt werden.

Ein Symptomtagebuch ist ein wertvolles Instrument zur Überwachung der Therapie. Patienten sollten täglich ihre Symptomstärke, eingenommene Dosis, Wirkungseintritt und -dauer sowie eventuelle Nebenwirkungen dokumentieren. Diese Aufzeichnungen helfen dabei, die optimale Dosierung zu finden und Behandlungseffekte objektiv zu bewerten. Viele Patienten verwenden digitale Apps oder einfache Bewertungsskalen von 1 bis 10.

Die Einstellung auf eine Cannabis-Therapie kann mehrere Wochen bis Monate dauern. Geduld ist erforderlich, da die optimale Dosis individuell sehr unterschiedlich sein kann. Manche Patienten sprechen bereits auf niedrige Dosen an, während andere höhere Mengen benötigen. Regelmässige ärztliche Kontrollen sind wichtig, um den Therapieverlauf zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Die Integration der Cannabis-Therapie in den Alltag erfordert praktische Überlegungen. Die Einnahmezeiten sollten an den Tagesablauf angepasst werden – beispielsweise niedrigere Dosen am Morgen für die Arbeitsfähigkeit und höhere Dosen am Abend für besseren Schlaf. Viele Patienten entwickeln individuelle Strategien, um die Vorteile zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren.

Die Aufbewahrung und Handhabung von Cannabis-Medikamenten folgt denselben Regeln wie bei anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten. Sie sollten sicher, kühl und trocken gelagert und vor Kindern geschützt werden. Patienten sollten immer eine Kopie ihres Rezepts bei sich führen und bei Reisen die entsprechenden Bestimmungen des Ziellandes beachten.

Zukunftsperspektiven und aktuelle Forschung

Die Forschung zu Cannabis bei MS entwickelt sich rasant weiter[6]. Aktuelle Studien untersuchen nicht nur symptomatische Effekte, sondern auch mögliche krankheitsmodifizierende Eigenschaften von Cannabinoiden. Präklinische Studien zeigen, dass Cannabis neuroprotektive Effekte haben könnte, die über die reine Symptomlinderung hinausgehen. Dies könnte bedeuten, dass Cannabis-basierte Therapien langfristig den Krankheitsverlauf beeinflussen können.

Besonders interessant sind Untersuchungen zu spezifischen Cannabinoid-Profilen und deren Wirkungen. Während bisherige Studien hauptsächlich THC und CBD betrachteten, richtet sich das Interesse nun auf andere Cannabinoide wie CBG, CBN oder THCV. Diese sogenannten “minor cannabinoids” könnten spezifische therapeutische Eigenschaften haben und zu personalisierten Therapieansätzen führen.

Die Entwicklung neuer Verabreichungsformen ist ein weiterer wichtiger Forschungsbereich. Transdermale Pflaster, sublingual applizierte Filme oder inhalative Systeme mit kontrollierter Dosierung könnten die Therapie weiter verbessern. Ziel ist es, eine möglichst präzise und vorhersagbare Wirkung zu erzielen und die Anwendung für Patienten zu vereinfachen.

Diese neuen Verabreichungsformen befinden sich derzeit in präklinischer oder früher klinischer Entwicklungsphase, und es liegen aktuell wenige publizierte Daten zur Wirksamkeit oder Anwendungssicherheit beim Menschen vor.

Langzeitstudien werden entscheidend sein, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Cannabis-Therapien über Jahre hinweg zu bewerten. Bisher basieren die meisten Erkenntnisse auf Studien mit einer Dauer von wenigen Monaten. Da MS eine lebenslange Erkrankung ist, sind Daten zur Langzeitsicherheit und möglichen Toleranzentwicklung von grosser Bedeutung für Patienten und Ärzte.

Die personalisierte Medizin könnte auch bei Cannabis-Therapien eine wichtige Rolle spielen. Genetische Tests könnten helfen vorherzusagen, welche Patienten am besten auf bestimmte Cannabinoid-Profile ansprechen oder ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen haben. Das Leben mit Multiple Sklerose könnte durch solche massgeschneiderten Therapieansätze erheblich verbessert werden.

Unterstützung und nächste Schritte

Für MS-Patienten, die eine Cannabis-Therapie in Erwägung ziehen, ist professionelle Beratung unerlässlich[7]. Spezialisierte Ärzte können die individuelle Situation bewerten, geeignete Präparate empfehlen und die Therapie sorgfältig überwachen. In der Schweiz gibt es mehrere Zentren mit Expertise in der Cannabis-Medizin, die MS-Patienten umfassend betreuen können.

Der Austausch mit anderen Betroffenen kann ebenfalls wertvoll sein. Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen bieten Plattformen für Erfahrungsaustausch und gegenseitige Unterstützung. Viele MS-Patienten teilen ihre Erfahrungen mit Cannabis-Therapien und können praktische Tipps für den Alltag geben. Wichtig ist jedoch, dass persönliche Erfahrungen nicht verallgemeinert werden können – was bei einem Patienten funktioniert, muss nicht bei allen anderen wirken.

Die kontinuierliche Weiterbildung über neue Entwicklungen in der Cannabis-Medizin ist sowohl für Patienten als auch für Ärzte wichtig. Regelmässige Fortbildungen, Fachkonferenzen und wissenschaftliche Publikationen tragen dazu bei, das Wissen zu erweitern und die Therapiequalität zu verbessern. Patienten sollten kritisch und aufmerksam bleiben, aber auch offen für neue therapeutische Möglichkeiten sein.

Für Patienten in der Region Zürich bietet sich die Möglichkeit, lokale Cannabis-Spezialisten zu konsultieren, die mit den regionalen Gegebenheiten vertraut sind. Die Nähe zum behandelnden Arzt erleichtert regelmässige Kontrollen und ermöglicht eine engmaschige Betreuung während der Therapieeinstellung.

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Fazit

Medizinisches Cannabis bei Multiple Sklerose stellt eine evidenzbasierte Therapieoption dar, die vielen Patienten signifikante Symptomlinderung bieten kann. Besonders bei Spastiken, neuropathischen Schmerzen und Schlafstörungen zeigt die wissenschaftliche Evidenz positive Effekte. In der Schweiz haben MS-Patienten unter den aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen guten Zugang zu Cannabis-basierten Therapien, wobei eine fachärztliche Begleitung essentiell ist. Die individuelle Variabilität in der Wirksamkeit unterstreicht die Bedeutung einer personalisierten Herangehensweise und sorgfältigen Überwachung. Während Cannabis keine Heilung für MS bietet, kann es für viele Betroffene eine wertvolle Ergänzung zur konventionellen Therapie darstellen und die Lebensqualität erheblich verbessern.

FAQ

Dr. med. Natalia Eckstein-Halla

Dr. med. Natalia Eckstein-Halla

Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (FMH), Schweiz

Dr. med. Natalia Eckstein-Halla ist als Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (FMH) Teil des medizinischen Expertenteams von Canna Viva, der führenden Schweizer Plattform für medizinisches Cannabis. In ihrer Rolle erstellt sie medizinisch geprüfte Inhalte für die Website und begleitet Patientinnen und Patienten digital bei der Therapie mit Medizinalcannabis.

Medizinisch überprüft

Dr. med. Natalia Eckstein-Halla

Dr. med. Natalia Eckstein-Halla

Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (FMH), Schweiz

Geprüft: November 2, 2025

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