Veröffentlicht: 2. September 2025|Aktualisiert: 2. September 2025|Medizinisch geprüft von Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin
Von Dr. med. Jens Westphal

Von Dr. med. Jens Westphal

Praktischer Arzt (FMH), Schweiz

Medizinischer Hinweis: Dieser Artikel dient der Information und ersetzt nicht die ärztliche oder physiotherapeutische Beratung. Suchen Sie bei starken Schmerzen, plötzlicher Verschlechterung oder neurologischen Ausfällen ärztliche Hilfe. Informationen basieren auf aktuellen Studien und Leitlinien, können aber individuelle Behandlungsentscheidungen nicht ersetzen.

Inhaltsverzeichnis

Überblick

Die «Frozen Shoulder» (adhäsive Kapsulitis, Schultersteife) ist eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks, die typischerweise in drei Stadien verläuft: schmerzhafte Entzündung, zunehmende Einsteifung und langsame Besserung/„Auftauen“. Die Ursachen sind oft multifaktoriell – von idiopathischen Prozessen bis zu Folge von Immobilität oder metabolischen Begleiterkrankungen. Konservative Therapie mit gezielten Übungen, manualtherapeutischen Techniken und Schmerzmanagement ist in vielen Fällen wirksam und empfohlen1.

Was ist eine Frozen Shoulder? Pathophysiologie und Verlauf

Bei der adhäsiven Kapsulitis entzündet sich die Gelenkkapsel der Schulter, es kommt zu Vernarbung und Verdickung der Kapselstrukturen sowie zu einer Einschränkung des Bewegungsumfangs. Charakteristisch sind vor allem Einschränkungen der Aussenrotation und Abduktion. Der Verlauf dauert typischerweise Monate bis Jahre und gliedert sich in drei Phasen: schmerzhafte Phase (hohe Schmerzintensität, noch etwas Beweglichkeit), Einfrierungsphase (zunehmende Steife, Schmerzen nehmen ab) und Auftauphase (langsame Rückkehr der Mobilität).

Diagnose erfolgt primär klinisch durch Anamnese und Untersuchung; bildgebende Verfahren (z. B. Sonographie, Röntgen, selten MRT) dienen zum Ausschluss anderer Ursachen.

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Therapieprinzipien: Evidenzbasierte Orientierung

Wichtigstes konservatives Prinzip ist eine patientenzentrierte Bewegungstherapie zur Wiederherstellung der aktiven Beweglichkeit, kombiniert mit Schmerzmanagement und funktioneller Alltagsorientierung. Systematische Übersichten zeigen, dass strukturierte Übungsprogramme die Bewegungsamplitude, Funktion und Schmerzen signifikant verbessern können1. Ergänzend können manualtherapeutische Mobilisation, gezielte neuromuskuläre Übungen und, falls nötig, invasive Massnahmen (Kortisoninjektion, distension, arthroskopische Intervention) diskutiert werden – abhängig von Schmerzgrad, Funktionseinschränkung und Therapiezielen.

ℹ️Safety Tip:

Beginnen Sie Übungen immer schmerzadaptiv: Üben Sie im Bereich akzeptabler Beschwerden (meist kein stechender, durchdringender Schmerz). Bei plötzlicher Verschlechterung, Fieber oder neurologischen Ausfällen sofort ärztlich abklären.

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Konservative Therapie: Was wirkt und wann?

Randomisierte Studien zeigen Nutzen verschiedener konservativer Verfahren:

  • Gezielte Übungstherapie verbessert Schmerz und Beweglichkeit deutlich gegenüber keiner Behandlung oder «Usual Care»1.
  • Neuromuskuläre, spezifische Trainingsprogramme konnten in einer RCT Schmerzen und aktive Beweglichkeit zusätzlich verbessern2.
  • Aktivitätsorientierte Ansätze, die auf Alltagsfunktionen abzielen, zeigten bessere Ergebnisse für Schmerz und Aktivitäten des täglichen Lebens als rein strukturelle Ansätze3.
  • Die Kombination aus Gelenkmobilisation und Dehnungsübungen war effektiver als Stretching allein4.
  • Manualtherapie kombiniert mit Übung kann die Therapieerfolgsrate erhöhen5.

Therapieentscheidungen sollten individuell getroffen werden: Schmerzkontrolle (z. B. NSAR, lokale Kortisoninjektion bei starken lokalen Entzündungszeichen), anschliessende aktive Mobilisation, neurologische Abklärung bei Verdacht auf radikuläre Ursachen sowie Anpassung der Alltagsbelastung.

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Übungen: Mobilisation, Dehnung und Kräftigung

Ein sinnvolles Übungsprogramm besteht aus drei Säulen: sanfte Mobilisation zur Verbesserung passive und aktive ROM (Range of Motion), gezielte Dehnung der vorderen Kapsel (insbesondere Aussenrotation und Abduktion), und muskuläre Aktivierung/Kräftigung zur Stabilisierung der Schulter. Übungen sollten schmerzadaptiert, regelmässig (täglich oder mehrmals täglich kurz) und progressiv gesteigert werden.

Grundprinzipien für Übungsdosierung

  • Frequenz: 3–5 mal täglich kurze Einheiten (3–5 Übungen à 10–15 Minuten pro Tag) oder 2–3 intensive physiotherapeutische Einheiten pro Woche ergänzt durch Heimprogramm.
  • Wiederholungen: 10–15 Wiederholungen je Übung, 2–3 Durchgänge pro Sitzung, je nach Schmerzreaktion.
  • Progression: zuerst Beweglichkeit (schmerzfrei bis moderat), dann Kraft und Koordination. Steigerung in kleinen Schritten (z. B. ER von 10° auf 20° über Wochen).
  • Abbruchkriterium: zunehmender durchdringender Schmerz, nächtliche Verschlechterung, neue neurologische Symptome – dann Therapiepause und ärztliche Abklärung.

Heimübungsprogramm (Beispiel; 4–6 Schritte)

  1. Wärmen: 5–10 Min. warmes Duschen oder Wärmepackung, um Gewebeelastizität zu erhöhen.
  2. Pendeln: Oberkörper leicht nach vorn beugen, Arm locker hängen lassen, kleine Kreise 1–2 Min., 3x/Tag.
  3. Handtuch-Dehnung (Innenrotation/Adduktion): Handtuch hinter dem Rücken halten, mit der gesunden Hand den betroffenen Arm sanft nach oben ziehen - 3x 30–60 s.
  4. Türrahmen-Extension (Brustöffnung): Hand am Türrahmen, Rumpf nach vorn drehen, 3x 30 s.
  5. Aussenrotation mit Theraband: Ellbogen am Körper, Band nach aussen ziehen, 3x 10–15 Wdh.
  6. Kräftigung: Schulterblatt-Retraktion mit leichtem Widerstand, 3x 10–15 Wdh. (Progression durch mehr Widerstand)

Zwischen den Übungen auf eine neutrale Körperhaltung achten: aktive Schulterblattkontrolle verbessert die Funktion erheblich. Beginnen Sie mit geringer Intensität und erhöhen Sie Umfang oder Widerstand, sobald Bewegung schmerzarm möglich ist. Neuromuskuläre Aufgaben (z. B. bewusstes Halten der Aussenrotation) können gezielte Verbesserungen in ROM und Schmerz bringen2.

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Sicherheit & Kontraindikationen

Viele Patienten profitieren von aktiver Therapie, doch einige Warnhinweise gelten stets: Bei infektiösen Symptomen, akuten traumatischen Ereignissen, unklaren neurologischen Ausfällen oder fehlender Besserung trotz 6–12 Wochen konservativer Therapie ist eine ärztliche Abklärung angezeigt. Kortisoninjektionen können kurzfristig Schmerzen reduzieren und die aktive Teilnahme an Physiotherapie erleichtern; langfristige Entscheidungen sollen individuell getroffen werden.

Important Warning

Wichtige Sicherheitsaspekte bei Frozen Shoulder

  • Stoppen Sie Übungen bei starkem, durchdringendem Schmerz oder plötzlicher Zunahme der Beschwerden.
  • Suchen Sie sofort ärztliche Hilfe bei Fieber, Rötung oder Verdacht auf Infektion.
  • Bei neurologischen Symptomen (Taubheitsgefühl, Lähmungen) sofort abklären lassen.
  • Kortisoninjektionen nur nach ärztlicher Indikation; wiederholte Injektionen abwägen.
  • Bei Diabetes und anderen Begleiterkrankungen engmaschig betreuen.

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Rehabilitation, Prognose und praktische Tipps für Alltag

Die Prognose ist variabel: Viele Patientinnen und Patienten erleben über Monate bis Jahre eine deutliche Verbesserung, jedoch kann die volle Rückgewinnung Zeit benötigen. Rehabilitation zielt auf schmerzarme Mobilität, Wiedererlangen funktioneller Bewegungen (z. B. über Kopf greifen, Jacke anziehen) und Rückkehr zur Arbeit/Alltagsaktivität.

  • Schrittweise Belastungssteigerung: zuerst Beweglichkeit, dann Kraft, dann komplexe Alltagsbewegungen.
  • Ergonomische Anpassungen: Vermeiden von lang andauernder einseitiger Belastung; Hilfsmittel (Rückenhilfen beim Ankleiden) einsetzen.
  • Nachtschmerzen: Schlafposition anpassen (Rückenlage mit Kissen unter betroffener Schulter) und eventuell Analgetika nach ärztlicher Absprache.
  • Geduld: Änderung erfolgt oft langsam – Therapieintensität und Compliance entscheiden über Fortschritt.

Bei anhaltenden Beschwerden kann die interdisziplinäre Abklärung (Orthopäde, Rheumatologe, Physiotherapeut) und – wenn nötig – invasive Therapie (Injektion, distension arthrography, arthroskopische Kapsellösung) erwogen werden.

FAQs

Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin

Lizenzierte Ärztin

Almedina Berisha ist als Ärztin für Allgemeine Innere Medizin Teil des medizinischen Expertenteams von Canna Viva, der führenden Schweizer Plattform für medizinisches Cannabis. In ihrer Rolle erstellt sie medizinisch geprüfte Inhalte für die Website und begleitet Patientinnen und Patienten digital bei der Therapie mit Medizinalcannabis.

Medizinisch überprüft

Almedina Berisha, Ärztin Innere Medizin

Lizenzierte Ärztin

Geprüft: September 2, 2025

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